Sonntag, 23. September 2012

Bohemian style

In meiner Pilsner Kemenate herrscht purer shabby chic. Und ich liebe es! Ja wirklich, wenn ich groß bin, will ich genauso wohnen. Bis auf die fünf Löcher im Bettlaken, die müssten nicht sein. Im Schrank bräuchte ich mehr Kleiderbügel. Und dieser merkwürdige Brandgeruch, der sich hier breit macht, muss auch nicht sein. Fackelt hier gerade jemand das Haus ab? Das wäre schlecht, denn ich wohne im sechsten Stock und im Lift ist nicht viel Platz. Vom Balkon hupfen geht auch nicht, ein Antivögel-/Antiselbstmördernetz wäre im Weg. Nein, ich denke es brennt doch nicht. Irgendjemand in diesem gut bewohnten Haus wollte sich offenbar als Koch versuchen und ist damit kläglich gescheitert.
Wenn man so seine eigenen vier Wände - und hier in meinem Fall sind es tatsächlich nur vier Wände - um sich hat, denkt man darüber nach, was für einen persönlich den Unterschied zwischen existieren und wohnen ausmacht. Für mich ist das zur Zeit mein kleiner  Wasserkocher in meinem Zimmer. Und seit ich den glänzenden Einfall hatte, Leitungswasser in eine große Plastikflasche zu füllen, muss ich auch nicht mehr so oft in die Küche, um Wasser zu holen. Es ist richtig gemütlich auf den Bett zu sitzen, einen warmen Becher Tee in der Hand und alte amerikanische Serie zu schauen. Auf englisch, selbstverständlich! Da meine saubere Kleidung zur Neige geht, wird die Waschmaschine in den nächsten Tagen zum Retter des Wohnwohlgefühls. Und danach Schaufel und Besen. Schließlich kann ich ja nicht zulassen, dass der Kauz im Dreck schlafen muss. Jedenfalls nicht in meinem.

Donnerstag, 20. September 2012

Getränkekunde

Bitte nicht wundern, wenn ich mit gelben Augen und einem Alkoholproblem nach Hause komme. Ich trinke gerne Bier, sehr gerne sogar. Aber in den letzten Tagen musste ich mich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass ich für diese Stadt einfach (noch) nicht geeicht bin. Nach dem zweiten Bier bin ich sehr erheitert, nach dem dritten ziemlich dicht und zum vierten habe ich es noch nie geschafft. Ich muss meist schon vor dem dritten aufgeben und selbiges an unseren Bodyguard Anna abgeben. Sie ist Tschechin und verträgt so einiges. Wenn sie ausgeht, bringt sie es nach eigener Aussage auf acht bis neun große Gläser Bier. Ich würde dann wahrscheinlich schon im Krankenhaus liegen oder mindestens über der Kloschüssel hängen.
Hier in Pilsen betrachtet man Bier auch nicht als Alkohol. Alkohol ist alles, was mehr als 20 % hat. Und das ist aktuell wegen der Methanol-Panscherei ohnehin verboten. Die Prohibition wird in den Gastrobetrieben auch konsequent umgesetzt, in jedem Lokal und an jedem Kiosk hängen oder liegen Hinweiszettel. Nach allem, was ich bisher gesehen habe, denke ich, dass den Leuten das Hochprozentige nicht besonders fehlt. Mir auch nicht. Ich muss jetzt los, neues Bier holen!

Montag, 17. September 2012

Die Insel

Der dritte Tag in Pilsen geht zu Ende. Wenn man noch nie in einem Wohnheim gewohnt hat, ist das Leben dort sehr abenteuerlich. Man vermisst Dinge, von denen man das nie gedacht hätte. Zum Beispiel die Nachttischlampe. Wenn das Deckenlicht zu grell wird und die Sonne sich hinter den letzten Hügel verzogen hat, denke ich mit Wehmut an die kleine Lampe, die in Wien bei meinem Bett steht.Ich denke an ihren sanften Schein, an die warme vertraute Atmosphäre. Nützt nichts, denke ich mir dann und schalte meine kleine Taschenlampe ein. Die zaubert mir einen kleinen Mond an die Zimmerdecke.
Was mir in den ersten zwei Tagen sehr gefehlt hat, war das Internet. Es stimmt, was diese Robinson-Crusoe-2.0-Wichtigtuer sagen, die sich für einige Wochen auf die Insel "Offline" verziehen und hinterher aus der Versenkung auftauchen und stolz berichten: Wir haben überlebt! Man fühlt sich einfach abgeschnitten ohne Internet, besonders, wenn man sich an einem fremden Ort einleben muss und sich dringend Kontakt nach Hause wünscht. DAS sollten die Experimentaloffliner mal ausprobieren! Ohne Zugang zu Ehemann, Ehefrau, Freund, Freundin, Kind, Hund, Katze, Kanarienvogel oder wenigstens dem geliebten Drahtesel würde sich dieses Volk ganz schnell wieder heim nach Onlinehausen verziehen. Gute Nacht!

Donnerstag, 13. September 2012

Ahoj

Der Koffer ist gepackt, der Rucksack bis obenhin gefüllt und in die Handtasche passt auch nichts mehr rein. Eine große Veränderung steht bevor: Ich werde übermorgen nach Pilsen in Westtschechien fahren. Dort werde ich für vier Monate als Praktikantin an der Uni arbeiten. Ich bin schon sehr gespannt, was mich dort erwartet, wie das Leben dort sein wird und welche Menschen ich treffe.
Natürlich bin ich auch traurig, weil ich lange Zeit von meiner Familie und meinen Freunden getrennt sein werde. Daher habe ich einen Rat für alle, die allein eine längere Reise antreten und kurz vor der Abreise noch nicht vor Freude platzen: Es ist völlig ok ein bisschen niedergeschlagen zu sein, sonst hättet ihr zuhause nämlich keine Lieben, die ihr zurücklasst. Die Freude über das Neue kommt ganz von selbst. Und sie kommt bestimmt. Ich werde berichten, wenn es bei mir soweit ist.